Alternative Finanzierungswege

Mehr als nur ein Königsweg

Geld allein ist nicht alles, aber ohne Geld läuft nichts – besonders bei Medienprojekten. Es gibt nicht den einen Königsweg zur Finanzierung. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Einnahmequellen diversifizieren.


Die schwedische Kultband ABBA hat dem Thema einen eigenen Song gewidmet: Money, money, money. Das Credo: Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Das gilt auch für Medienprojekte. Wenn Teams scheitern oft, weil ihnen die Puste ausgeht – und damit nicht selten das Geld. Hier gilt es zunächst mit einem Irrglauben aufzuräumen: Es gibt nicht den einen Königsweg. Das Geheimnis erfolgreicher Projekte liegt vielmehr darin, dass es ihnen gelungen ist, ihr Geschäftsmodell zu diversifizieren.

Sie haben es geschafft, mehrere Standbeine aufzubauen und sich damit unabhängig von einem einzelnen Geldgeber oder einer bestimmten Stiftung zu machen. Natürlich gehört es auch zur Wahrheit, dass es einigen wenigen gelungen ist, ihre laufenden Kosten ausschließlich durch Mitglieder zu decken – siehe Republik in der Schweiz oder Krautreporter in Deutschland – aber das ist die Ausnahme. Dabei handelt es sich um vergleichsweise große Projekte mit mehr als 25.000 Verleger:innen bzw. 15.000 zahlenden Mitgliedern, so dass das nicht so ohne weiteres auf Neugründungen übertragbar ist.

Bei den Journalist:innen, die in diesen Tagen starten, handelt es sich oftmals um kleinere Projekte. Um Lokalredaktionen, die aus zwei bis fünf Personen bestehen. Oder um Nischenmedien, die ein spezielles Interesse bedienen. Für sie gilt das Motto „Don’t put all your eggs in one basket“. Denn wenn eine Stiftung ihre Gunst versagt oder zurückzieht, steht man nicht von heute auf morgen vor dem Nichts.

Um die Anschubfinanzierung für das eigene Medienprojekt zu bekommen, greifen viele auf das sogenannte „Bootstrapping“ zurück. Das heißt, sie starten zunächst aus eigener Kraft und Freizeit, um den ersten Prototyp des neuen Angebots auf die Beine zu stellen. In der Regel sammelt man Geld bei den drei FFF: friends, fools and family. Manche greifen auch auf Ersparnisse zurück. Das funktioniert meist eine Zeit lang, aber irgendwann ist das Geld aufgebraucht und man muss eine neue Finanzierungsrunde starten.

Eine andere Möglichkeit ist, ein Konzept zu schreiben, einen sogenannten Businessplan, und abzuschätzen, wie viel Geld das Projekt braucht. Damit geht man zu Stiftungen, Investoren und Banken. Ziel ist es, das Geld für sechs oder zwölf Monate Betrieb zusammenzubekommen. Natürlich kann man sich am Anfang kein üppiges Gehalt auszahlen. Aber die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sollte zumindest nicht dauerhaft auf Selbstausbeutung ausgerichtet sein. Es gibt etwa 20 alternative Finanzierungsmöglichkeiten. Im Folgenden stellen wir euch die vier wichtigsten vor.

Wichtig ist, die Einnahmequellen für unabhängige Medienprojekte zu diversifizieren und nicht nur auf eine Einnahmequelle zu setzen. I Foto: Sophie Tichonenko

1. Mitgliedschaften

Zunächst ist es wichtig, den zentralen Unterschied zwischen einer Mitgliedschaft und einem Abonnementmodell zu verstehen. Ein klassisches Abo kann man zum Beispiel bei der eigenen Lokalzeitung oder auch bei der New York Times abschließen. Damit erhält man Zugang zu allen aktuellen Artikeln, entweder digital und / oder gedruckt, sowie zum Archiv. Es ist ein transaktionales Verhältnis. Inzwischen haben die meisten Regionalzeitungen eine Bezahlschranke, so dass man die Artikel online nur lesen kann, wenn man ein Abonnement hat.

Dabei unterscheidet man zwischen:

  • Komplett freien Inhalten im Netz
  • dem sogenannten „Metered Model“, also eine bestimmte Anzahl an Artikeln ist frei
  • der harten Bezahlschranke, die sofort erscheint, wenn man auf einen bestimmten Online-Artikel klickt
  • der durchlässigen Bezahlschranke, also Abonnent:innen ermöglicht, Artikel an nicht-zahlende Mitglieder zu verschenken und sie auf Social-Media-Kanälen zu teilen
  • sowie Plus-Artikeln, bei denen bestimmte Artikeln frei zugänglich ist und andere nur mit Plus-Abo gelesen werden kann

Eine Mitgliedschaft ist mehr als ein Abo. Bei einer Mitgliedschaft geht es nicht darum, ein Paket zu verkaufen, sondern eine Beziehung zu einer treuen Community aufzubauen und eine bestimmte Sache zu unterstützen. Erfolgreiche Mitgliedschaftsmodelle vermitteln das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Darüber hinaus sind viele Nischenpublikationen bestrebt, so inklusiv wie möglich zu agieren, d.h. im Sinne der Demokratie niemanden auszuschließen – auch nicht die Zahlungsunwilligen. Die Mitgliedschaft basiert auf Austausch und Vertrauen – und vor allem auf Unabhängigkeit. Die Basis ist Überzeugung: Menschen, die ein Medium lieben, sind bereit, es regelmäßig zu unterstützen – und das ist der große Unterschied zum Crowdfunding, bei dem es darum geht, einmalig Geld einzusammeln.

Wenn man Mitgliedschaften anbietet, sollte man sich auch überlegen, welche „Goodies“ oder Pakete man den Unterstützern anbietet. Diese können unter anderem sein:

  • Interaktion mit der Redaktion
  • exklusive Inhalte (sogenannter Bonus-Content)
  • früherer Zugang zu Inhalten
  • Einfluss auf Berichterstattung
  • (ermäßigter) Zugang zu bestimmten digitalen / analogen Veranstaltungen
  • Austausch mit Gleichgesinnten (z. B. Zugang zu geschlossener Facebook-Gruppe)
  • Merchandise wie Postkarten, Poster oder Sticker
  • Ausblendung von Werbung

Mitglieder geben einem Medienprojekt Planungssicherheit und die Gewissheit, die monatlichen Fixkosten decken zu können. Aber: Vergesst nicht, dass jeder Anbieter monatlich 5 bis 10 Prozent Provision und weitere Gebühren, zum Beispiel für die Kreditkartenabwicklung, von eurem Unterstützungsbetrag abzieht.

Wenn ihr das vermeiden wollt, müsst ihr eure Unterstützer davon überzeugen, das Geld direkt auf euer Konto zu überweisen. Der Nachteil dabei ist ein hoher Verwaltungsaufwand bei euch, der es letztlich rechtfertigt, einen kleinen Beitrag dafür zu zahlen, dass euch diese Dinge abgenommen werden.

Der karla Kaffeekranz am Kulturkiosk Schranke bietet Menschen in Konstanz regelmäßig die Möglichkeit, ungezwungen mit der Redaktion ins Gespräch zu kommen. I Foto: Sophie Tichonenko

2. Spenden

Um Spenden zu erhalten, braucht ihr zunächst ein Konto. Sobald ihr wisst, welche Organisation ihr unterstützen wollt, könnt ihr ein Konto eröffnen. Wenn ihr vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt seid, könnt ihr euren Spendern eine Spendenquittung ausstellen, die sie von der Steuer absetzen können.

Als gewinnorientiertes Unternehmen geht das nicht. Trotzdem könnt ihr natürlich dazu ermutigen, direkt an euch zu überweisen, denn dann kommt das Geld zu 100 Prozent bei euch an. Daueraufträge sind in diesem Zusammenhang besonders sinnvoll, weil es Einnahmen sind, mit denen man fest rechnen kann.

Früher haben viele Menschen wohltätige Zwecke unterstützt, aber durch die vielen Skandale der letzten Jahre sind sie offen für Alternativen. Denn die Menschen, die euch unterstützen, glauben an gemeinsame Werte, an eine gemeinsame Sache oder an eine bestimmte Mission.

Wenn ihr euch also eine gute Story überlegt, warum die Leute ausgerechnet euch oder eurem Projekt Geld geben sollten, stehen die Chancen nicht schlecht, dass ihr kleine und große Spenden bekommt. CORRECTIV hat gute Erfahrungen damit gemacht, vor Weihnachten spezielle Kampagnen zu planen und durchzuführen. Spenden müssen übrigens nicht versteuert werden.

3. Stiftungsgelder

Gerade als gemeinnütziges Projekt bietet es sich an, auch Stiftungsgelder in Betracht zu ziehen. Als gewinnorientierte GmbH oder UG käme dies gar nicht in Frage, da Stiftungen vorrangig gemeinnützige Unternehmen unterstützen. In Paragraph 52 der Abgabenordnung heißt es wörtlich: „Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“.

Journalismus ist derzeit kein förderungswürdiger Zweck im Sinne der Abgabenordnung. Auch die Rechtssicherheit für journalistische Projekte ist nicht gekommen, obwohl sie noch im Koalitionsvertrag 2021 versprochen wurde. Das bedeutet: Wer als lokaljournalistisches Projekt Gemeinnützigkeit beanspruchen will, muss bis auf weiteres „Umwege“ gehen und sich vorrangig dem Verbraucherschutz, der Volksbildung, der Demokratieförderung oder der Förderung von Kunst und Kultur widmen.

Große Hoffnung macht derzeit der 2024 gegründete Media Forward Fund, der unabhängigen Qualitätsjournalismus in der DACH-Region fördern will. Initiiert von mehreren Stiftungen wie der Rudolf Augstein Stiftung, der Schöpflin Stiftung und der ZEIT Stiftung Bucerius unterstützt er Medienprojekte, die nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln und vertrauenswürdige Inhalte publizieren. Nicht wenige sprechen von einem „Meilenstein in der Journalismusförderung“, schließlich ist es der erste länderübergreifende Fonds, der explizit auch Mittel aus anderen philanthropischen Bereichen als dem Journalismus mobilisieren will.

Macht es da überhaupt noch Sinn, sich bei einzelnen Stiftungen um Förderung zu bewerben? „Unbedingt!“, sagt Stephanie Reuter, geschäftsführende Vorständin der Rudolf Augstein Stiftung. Für viele Stiftungen sei das Engagement beim Media Forward Fund (MFF) eine Ergänzung zur jeweiligen Regelförderung.

Die Augstein Stiftung habe beispielsweise die Stärkung des journalistischen Ökosystems insgesamt im Blick und unterstütze folglich Partner und Projekte, von denen möglichst eine Hebelwirkung ausgehen kann. Förderungen seien daher häufig infrastruktureller Natur wie bei CORRECTIV.Lokal, oder es werde die Entwicklung neuer journalistischer Methoden und technologischer Entwicklungen unterstützt – keine einzelnen Redaktionen wie beim MFF.

Reuter hofft, dass sich viele weitere Stiftungen am Media Forward Fund beteiligen, um das Budget aufzustocken. Als Vorbild nennt sie „Press Forward“ in den USA, bei dem von einem Fördervolumen von 500 Millionen US-Dollar die Rede ist und an dem auch zahlreiche Bürgerstiftungen zur Förderung des Lokaljournalismus beteiligt sind. „Der gesamte Bereich ist in Deutschland unterfinanziert, deshalb hoffen wir, dass sich das in den nächsten Jahren spürbar ändert“, so Reuter. Schließlich spiele der Journalismus eine zentrale Rolle für eine funktionierende Demokratie.

Bei der Netzwerk Recherche Jahreskonferenz in Hamburg haben Stephanie Reuther (1.v.l. Podium) u. a. mit David Schraven und Thomas Schnedler über den neuen Media Forward Fund diskutiert. I Foto: Pauline Tillmann

4. Werbung und Sponsoring

Eine weitere Einnahmequelle für unabhängige Medienprojekte könnte Werbung oder Sponsoring sein. Das Problem: Viele kennen den Unterschied nicht. Daher werden die Begriffe oft synonym verwendet. Bei der Werbung liegt die Verantwortung bei dem Unternehmen, das für sich und seine Produkte wirbt.

Beim Sponsoring hingegen versucht der Sponsor nicht, sein Produkt oder seine Dienstleistung bestmöglich darzustellen oder anzupreisen, sondern verlässt sich auf die Verbreitung durch den Gesponserten. Es wird also erwartet, dass das Unternehmen indirekt auf sich aufmerksam macht. Das Sponsoring kann in Form von Geld-, Sach- oder Dienstleistungen erfolgen. Viele glauben, dass sich Gemeinnützigkeit und Werbeeinnahmen ausschließen. Das ist nicht der Fall.

Es ist durchaus möglich, zum Beispiel im Newsletter exklusive Werbung zu schalten, wie es das gemeinnützige Lokaljournalismus-Projekt karla Magazin aus Konstanz derzeit macht. Wichtig ist, dass sie nicht mehr als die Hälfte der Gesamteinnahmen ausmacht. Aber gegen ein nettes „Zubrot“ ist rechtlich nichts einzuwenden. Und wenn man sich an gewisse Standards wie den Medienkodex von Netzwerk Recherche hält, ist die journalistische Unabhängigkeit nicht gefährdet.

Projekte wie tsüri.ch machen seit Jahren gute Erfahrungen mit Sponsoringpartnern. Sie organisieren jährlich über 30 Events, die nur dank externen Sponsoren möglich sind. Selbstverständlich sind alle entsprechend gekennzeichnet. Für die Sponsoren ist es attraktiv, sich an solchen Anlässen zu präsentieren, weil sie eine junge, urbane Zielgruppe erreichen. Im besten Fall also eine Win-Win-Situation.

Weitere Einnahmequellen können sein: Events, Merchandising, Bürovermietung, Native Advertising, Kooperationen, Fachartikel, Consulting, Video- oder Audioproduktion, Debundling, Magazinverkäufe, Buchverkäufe, Venture Capital, Micropayment und vieles mehr. Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll nur zeigen: Es gibt nicht den einen Königsweg und man muss auch nicht alles machen, aber es ist ratsam, sich mittel- und langfristig auf drei bis maximal fünf verschiedene Erlösquellen zu stützen.

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