Investigativstation_Werkzeugkasten_Foto: Achenbach

Verbündet Euch! 

Mit der Partnerschaftsgesellschaft im Kollektiv recherchieren

Die Investigativstation führt die Idee des gemeinnützigen Pionierprojekts MedWatch fort. Zwei freie Journalist:innen haben dafür eine Partnerschaftsgesellschaft gegründet, eine Rechtsform für den Zusammenschluss von Freiberufler:innen.


„Nein, wir gründen kein eigenständiges Medium.“ Das war anfangs wohl die häufigste Klarstellung, wenn wir über die Investigativstation sprachen. Was wir gegründet haben, erfahrt ihr hier. Wir, das sind übrigens Investigativjournalist Martin Rücker und Wissenschaftsjournalistin Sigrid März.

Aber der Reihe nach: Im Jahr 2017 gründeten die beiden Journalist:innen Nicola Kuhrt und Hinnerk Feldwisch-Drentrup MedWatch. Zunächst als Blog, später als selbstständiges Onlinemedium trat das Projekt mit dem Ziel an, kritischen und verbrauchernahen Gesundheitsjournalismus zu betreiben. Ein ausnahmslos aus freien Redaktionsmitgliedern bestehendes Team setzte diesen Anspruch gemeinsam um.

Als gemeinnütziges Medium stellte MedWatch alle Recherchen frei abrufbar zu Verfügung – ein Konzept, das finanziell „auf Kante genäht“ war. Es war „stets ein Drahtseilakt […], die hochwertige Recherchen zu finanzieren und die laufenden sowie administrativen Kosten zu decken“, schrieb Nicola Kuhrt Anfang Mai 2024 in der Mitteilung, dass MedWatch den Betrieb einstellen würde.

Das bisherige Modell mag an seine Grenzen gestoßen sein – nicht gestorben ist jedoch die Idee hinter MedWatch: Evidenzbasierter Qualitätsjournalismus rund um Gesundheit, Medizin und Wissenschaftspolitik. (Gründer:innen der Investigativstation)

Innerhalb des Teams hatten wir zu diesem Zeitpunkt schon länger überlegt, wie es weitergehen könnte. Denn wir waren und sind überzeugt, dass fundierter Wissenschaftsjournalismus wichtig für die Gesellschaft ist. 

Zugleich leisten sich viele Medien keine eigenständigen Wissenschaftsredaktionen (mehr) oder verkleinern sie zunehmend. Kapazitäten für die gerade bei Gesundheitsthemen so wichtigen tiefgreifenden Recherchen fehlen, von investigativen Ansätzen ganz zu schweigen.

Vom eigenständigen Medium zum Recherchekollektiv

Nach etlichen durchdiskutierten Abenden stand unser Konzept für die Investigativstation, die als Idee damals noch MedWatch reloaded hieß: Schlanke Strukturen und interdisziplinäre Teams für kraftvolle Recherchen. 

„Also nur ein weiteres Journalist:innenbüro?“, mag sich der eine oder die andere fragen. Nein, auch das nicht. Wir machen keine Wissenschaftskommunikation, keine PR. Wir treten als Recherchekollektiv an, um mit einem einzigartigen Angebot den Wissenschaftsjournalismus dort zu verbessern, wo er bereits stattfindet und sein Publikum hat. Wer uns beauftragt, beauftragt nicht eine:n freie:n Journalist:in, sondern ein Team mit flexibler und interdisziplinärer Expertise. 

Unsere Kund:innen sind Redaktionen der überregionaler Tages- und Wochenpresse sowie Fachmagazine, Verlagshäuser und (öffentlich-rechtliche) Medienanstalten, die evidenzbasierte, hochwertige Recherchen schätzen. Sie kaufen auf ihren Bedarf zugeschnittene Pakete, von einzelnen Recherche-Bausteinen bis zum veröffentlichungsreifen Beitrag.

Bürokratische Hürden und Fragen, Fragen, Fragen

Mit dem Konzept überzeugten wir eine Jury – und so freuten wir uns Anfang 2024 über 25.000 Euro Förderung durch den Innovationsfonds Wissenschaftsjournalismus der Wissenschaftspressekonferenz (WPK). Diese Summe ermöglichte uns zwei für die Gründung wesentliche Faktoren: Zeit und professionelle Hilfe.

Unser Anspruch: Eine dynamische und schlanke Infrastruktur, die den administrativen Aufwand auf ein Minimum reduziert. Denn (a) sollte der Anteil der Einnahmen eines Auftrags, der an die beteiligten Journalist:innen fließt, möglichst groß sein; und (b) wollen wir uns auf guten Journalismus konzentrieren, statt ständig etwas „regeln“ zu müssen.

Sigrid März auf der SciCAR 2024_Foto: Julian Welz
Wissen teilen – das macht Sigrid März nicht nur im Werkzeugkasten, sondern auch bei Fachkonferenzen wie der SciCAR. Foto: Julian Welz

Wir haben mit Kolleg:innen gesprochen, die auf diversen Wegen gegründet haben. Und wir haben Redaktionen und Medienhäuser besucht und sie ganz konkret gefragt: „Wie sähe für euch der optimale Ablauf aus, um euch bei eurer Arbeit zu unterstützen?“ Denn was nützt das beste Recherchekollektiv, wenn es niemand beauftragt?

Mit den gesammelten Informationen haben wir ein Konzept erstellt und es nach und nach umgesetzt. 

Aus MedWatch reloaded wird Investigativstation

Auch wenn wir in der Idee mit MedWatch verbunden bleiben, ist unser Konzept ein anderes. Wir haben uns daher für eine Neubenennung entschieden. Zum Schutz des Namens und des dazugehörigen Logos erfolgte die Anmeldung beim Patent- und Markenamt.

Wir werden Partner

Die Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ist ein Zusammenschluss von Freiberufler:innen. Sie gilt sowohl steuerrechtlich als auch administrativ als unkompliziert, bietet jedoch zugleich einen offiziellen Rahmen in Form einer Gesellschaft. In einem Partnerschaftsvertrag sind die wichtigsten Eckpunkte der Gesellschaft sowie Absprachen der Gesellschafter:innen festgehalten. 

Wir haben bei der Gründung allerdings unterschätzt, wie schwierig es ist, Berater:innen zu finden, die sich mit Gesellschafts- und Steuerrecht auskennen und für die idealerweise der freie Journalismus nicht fremd ist. So begaben wir uns bereits in der Frage der rechtlichen Ausgestaltung auf Neuland.

Dennoch: Seit dem 6. November 2024 ist die Investigativstation im Handelsregister als PartG eingetragen.

Die Investigativstation hat eine eigene Anschrift

Uns war wichtig, dass in keinem öffentlich einsehbaren Dokument unsere Privatanschriften nachzulesen sind. Wir haben deshalb einen Adress-Service gesucht – und gefunden! –, der auch eine PartG als Vertragspartner akzeptiert. Und der sich auf das Henne-Ei-Dilemma einlässt. Denn: Zur Gründung benötigten wir bereits eine Adresse, der Adress-Service theoretisch aber bereits die Gesellschaft.

Das Ding mit der Steuer

Eine Herausforderung war unsere steuerliche Einordnung: Wo genau verläuft die Grenze zwischen Gesellschaft und freier Journalistin, wer muss was wann zahlen, was können wir wie steuerlich geltend machen? Hilfreich war eine ausführliche Einordnung von auf Steuerrecht spezialisierten Rechtsanwälten, die uns einen Kompass für die nächsten Monate und Jahre an die Hand gaben.

Anfang 2025 haben wir die Investigativstation beim Finanzamt angemeldet und eine Steuernummer sowie eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erhalten. 

Ein separates Firmenkonto ermöglicht, alle Finanzen, die die Partnerschaftsgesellschaft betreffen, unabhängig von den Konten der Gesellschafter:innen abzurechnen.

Apropos Finanzen: Wegen der schlanken administrativen Struktur belaufen sich die jährlichen Fixkosten der Investigativstation auf nicht einmal 400 Euro (etwa für Adress-Service und Domainkosten). Diese Fixkosten decken wir, indem von jeder Einnahme der Investigativstation ein niedrig-einstelliger Prozentsatz in der Gesellschaft verbleibt.

Wir verstauen unsere Daten sicher

Für das gemeinsame Arbeiten an Recherchen haben wir einen eigenen Cloud-Speicher aufgesetzt. Hier können mehrere Teammitglieder gleichzeitig Texte bearbeiten und redigieren. Das gewählte Format ist einfach in der Handhabung und den Kolleg:innen bekannt. Denn auch das haben wir in Vorgesprächen gelernt: Das größte Sicherheitsrisiko für cloudbasierte Lösungen sind nicht mögliche Angriffe und Sicherheitslücken, sondern die Bequemlichkeit der Personen, die sie nutzen. Auch die sicherste Cloud bringt nichts, wenn Menschen sie nicht entsprechend nutzen – und schützen. Die Zusammenarbeit im Investigativstation-Team soll frei von technischen Hürden und anderen Einschränkungen möglich sein.

In der Konsequenz bedeutete das, dass wir uns von der Idee der einen Cloud-Lösung verabschiedet haben. Sensible Daten aus investigativen Recherchen sowie alle Daten, die die PartG betreffen (Steuer, Konto, Kontakte, …), liegen deshalb auf einem separaten Server, der europäischen Datenschutzvorgaben unterliegt.

Wir stellen – faire – Regeln auf und geben ein Qualitätsversprechen

Wir arbeiten als Team freier Journalist:innen mit flachen Hierarchien. Das birgt Konfliktpotenzial, haben wir in Vorgesprächen gelernt. Allgemeine Regeln sollen Strukturen schaffen. Durch einen Rahmenvertrag für unsere freien Mitarbeiter:innen sichern wir einen hohen Qualitätsstandard der Recherchen einerseits und faire Arbeits- und Vergütungsbedingungen andererseits. Unsere AGB präsentieren uns gegenüber Auftraggeber:innen klar als Recherchekollektiv und definieren beispielsweise Rechte und Pflichten. Beim Erstellen dieser – einfach gehaltenen – Rahmenverträge hat uns ein Medien-Rechtsanwalt unterstützt. 

Außerdem haben wir aus Gesprächen mit Kolleg:innen und unseren eigenen Wertvorstellungen Qualitätsstandards entwickelt. Das Ergebnis steht für jede:n einsehbar als journalistische Standards auf unserer Website.

Die Investigativstation wird sichtbar

Als freie Journalist:innen haben wir uns bereits Namen gemacht. Die Investigativstation jedoch muss noch wachsen und sich etablieren. Dabei helfen uns das einprägsame Logo sowie die Website https://investigativstation.de, die seit dem 20. März 2025 online ist.

So geht es uns heute

Wir haben mit der Investigativstation eine Infrastruktur geschaffen, in der das Arbeiten in Teams ebenso möglich ist wie das Sprechen nach außen mit einer Stimme. Durch die Wahl der Gesellschaftsform ist Investigativstation fast beliebig skalierbar, wir können also leicht weitere Kolleg:innen ins Recherchekollektiv integrieren. So möchten wir eine dynamische, investigativ arbeitende Fachredaktion entwickeln, mit Expertise in zahlreichen Disziplinen, ohne den administrativen und rechtlichen Ballast, den der Betrieb eines eigenen Mediums mit sich bringt. Stattdessen veröffentlichen wir dort, wo Journalismus bereits stattfindet und ein Publikum hat – in etablierten und reichweitenstarken Medien.

Natürlich arbeiten wir als freie Journalist:innen weiterhin an anderen Aufträgen und Projekten, haben aber den Eindruck, dass die Arbeit der Investigativstation wahrgenommen und wertgeschätzt wird.

Zu guter Letzt: All das wäre für uns ohne die Förderung durch die WPK nur schwer umsetzbar gewesen; wir sind dankbar für diese Chance. Ein großer Dank gilt zudem den Menschen, die uns mit Rat und Tat unterstützt haben. Einmal mehr zeigt sich: Qualitätsjournalismus ist Teamarbeit.

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