Austausch wie hier auf der Nonprofitjournalismus von NR 2018.

Sieben Tipps für den Start

Was erfahrene Gründer:innen euch raten

Vor welchen Hürden stehen Gründer:innen im gemeinnützigen Journalismus? Mit dieser Frage habe ich mich in meiner Masterarbeit an der Leuphana Universität Lüneburg beschäftigt. Dafür habe ich acht Interviews mit Gründer:innen von gemeinnützig wirtschaftenden Medienprojekten in Deutschland geführt. Jedes Interview habe ich mit der Frage beendet, aus welchen ihrer Erfahrungen künftige Gründer:innen lernen können. Aus den Antworten der Befragten lassen sich sieben Tipps aus der Praxis für die Praxis ableiten.


1. Ohne Strategie geht nichts

Wer ein journalistisches Start-up gründet, wird schnell feststellen: Mit Journalismus allein ist es nicht getan. Da muss auf einmal eine Website gebaut werden, ein Team geleitet werden, Buchhaltung, Förderanträge und Öffentlichkeitsarbeit müssen gewuppt werden. Alle befragten Personen kamen aus dem Journalismus, so dass das Gründen eines Unternehmens für sie Neuland war. Schnell stellten sie fest: Leidenschaft für den Journalismus allein reicht nicht aus, damit aus der Idee irgendwann ein sich selbst tragendes Projekt werden kann. Und nicht ein kräftezehrendes Ehrenamt. Ohne Plan geht also nichts. Eine der befragten Personen riet, man müsse das Vorhaben „einmal gescheit durchdenken, bevor man aus Leidenschaft etwas startet und dann plötzlich irgendwie so gefangen ist.“ Nimm dir also die Zeit, dich zu informieren und zu fragen: Wo finde ich Unterstützung? Welche Optionen habe ich? Wie setze ich meine Kräfte ein?

2. Teamwork makes the dream work

„Ohne mein Team hätte ich vielleicht schon längst aufgehört“ – so fasste es eine befragte Person zusammen. Denn der Gründungsprozess fordert Energie, Zeit und Nerven und verlangt unterschiedlichste Kompetenzen. Wenn sich da die Belastung auf mehrere Schultern verteilt, dann schweißt das nicht nur zusammen, sondern hilft auch, Struktur ins Chaos zu bringen. Die Gründer:innen müssen als „Kopf“ der ganzen Unternehmung viele unterschiedliche Aufgaben koordinieren. Wenn sie Verantwortung im Team verteilen, können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und so schneller und gezielter vorankommen. Gleichzeitig wurde bei allen Befragten auch die Zusammenarbeit als solche neu gedacht: Mit flachen Hierarchien und fairen Arbeitsbedingungen möchten sie sich von anderen Medien unterscheiden.

3. Finde deine Nische

Während es sich in einer nicht-digitalen Welt häufig eher gelohnt hat, Produkte für die Masse zu entwerfen, sieht es heutzutage im Netz anders aus: Durch digitale Vernetzungsmöglichkeiten entstehen Special-Interest-Gemeinschaften, die journalistisch bedient werden wollen. Wer seine Nische kennt, weiß auch, wie sie zu erreichen ist. Und das weicht vielleicht von klassischen Formaten ab. Eine klare thematische Ausrichtung hilft darüber hinaus auch bei der Bewerbung um Fördermittel. 

4. Davon mehr: Kommunikationsarbeit

Es reicht nicht, dass der Inhalt überzeugt, er muss auch bekannt gemacht werden. Plane also genügend Ressourcen fürs Netzwerken, den Besuch von Veranstaltungen der Branche und Social Media ein. Auch wenn es sich zunächst so anfühlt, als würden Ressourcen vom eigentlichen Vorhaben abgezogen werden: Auf lange Sicht lohnt es sich, wenn viele Menschen euer Medienprojekt und die Inhalte kennen. Außerdem: Auch ein Crowdfunding kann wirksam für Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Achtet dabei auf das langfristige Ziel: Die Gewinnung von Mitgliedern oder Abos ist möglicherweise nachhaltiger als eine einmalige Finanzierungsspritze. 

5. Flexibel bleiben und Dinge ausprobieren

Beobachte deine Arbeit und prüfe, was wie funktioniert. Gerade als gemeinnütziges Start-up sind die Ressourcen oft begrenzt und müssen effizient eingesetzt werden. Du hast gedacht, deine Leser:innen seien über Social Media am besten zu erreichen, aber ein Workshop brachte dir einen ganz neuen Schwung an Abonnent:innen? Dann überlege, ob du statt der aufwendigen Produktion von Social-Media-Videos eher Zeit in die Konzeption und Durchführung weiterer Workshops steckst. Ein anderes Beispiel aus den Interviews: Nach einem technischen Defekt auf der Website erreichte eine der befragten Personen unzählige Beschwerden. Nur so erkannte sie, wie relevant einige technische Funktionen der Website wirklich sind. So konnte sie daraus ein kostenpflichtiges Abo-Angebot machen und neue Unterstützer:innen gewinnen. Kurzum: Wer beobachtet und flexibel bleibt, kann selbst aus einer vermeintlichen Panne eine fruchtbare Idee entwickeln.  

6. Sharing is caring

„Bildet Banden!“ So brachte es eine befragte Person auf den Punkt. Es geht darum, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Kooperiere mit anderen aufstrebenden Medienprojekten und knüpfe ein großes Netzwerk, nicht nur im Journalismus. Kultur ist dein Thema? Dann vernetze dich mit Kulturträgern in deiner Heimat. Wer gut vernetzt ist, der kann auch in der Öffentlichkeitsarbeit mit Multiplikator:innen rechnen, die dein Projekt zum Beispiel in ihren Newslettern teilen oder mit anderen darüber reden.

7. Ein langer Atem

Es braucht Durchhaltevermögen. Dieser Ratschlag wurde in den Interviews am häufigsten genannt. Durststrecken müssen von vornherein einkalkuliert werden. Bis ein kleines Projekt soweit ist, sich halbwegs selbst zu tragen, können mehrere Jahre vergehen. Diese Zeit braucht es, um sich zu etablieren, Reichweite aufzubauen und das Konzept zu schärfen. Und dann heißt es: langsam wachsen. So kannst du ein stabiles Fundament für die Zukunft schaffen und dafür Sorge tragen, dass dir die Verwaltungsaufgaben nicht über den Kopf wachsen.

Und was ist jetzt mit der Gemeinnützigkeit?

Viele der Befragten berichteten, dass der Status der Gemeinnützigkeit für sie in der Praxis gar nicht so relevant sei. Denn Förderungen zu beantragen, sei häufig kompliziert, selten seien sie auf den Journalismus zugeschnitten und der Benefit auf lange Sicht sei nicht allzu groß. Der Aufbau einer Community, die das Projekt durch Mitgliedschaften oder Abonnements trägt, sei langfristig sicherer.

Gleichwohl befürworten alle Befragten die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus in der Abgabenordnung. Denn dies wirke sich insbesondere positiv auf die schwierige Gründungs- und Etablierungsphase der Medienprojekte aus. Die Anerkennung schaffe Rechtssicherheit und vereinfache den Gründungsprozess.

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