Start-up Guide für Journalist:innen

So startest du richtig durch

Du hast Bock, dein eigenes Ding zu machen, weißt aber noch nicht so recht, was auf dich zukommt? Mit unserem Start-up Guide geben wir dir eine erste Orientierung, was dich als Mediengründer:in erwartet und worauf du achten solltest.

Team up!

Als Journalist:in bringst du die besten Voraussetzungen dafür mit, ein gutes journalistisches Produkt abzuliefern. Ohne das wird es nicht gehen. Niemand wird dir Geld für deine Inhalte zahlen wollen, wenn diese nicht relevant, spannend und informativ sind. Aber kannst du auch eine Website programmieren? Bilanzen erstellen? Arbeitsverträge aufsetzen? Gutes Marketing machen? Auch das ist wichtig für den Erfolg eines (kleinen) Medienunternehmens.

Vielleicht bist du ja ein Multitalent, aber wann willst du dich um den Journalismus kümmern, wenn du all die anderen Dinge auch noch tun musst? Unser Rat: Tu dich mit anderen zusammen. Dabei sollten „die anderen“ möglichst nicht alle ebenfalls aus dem Journalismus kommen. Du kannst zwar vieles im Hintergrund auslagern (Webdesign, Steuerberatung, Buchhaltung usw.), wenn du dir das leisten kannst, aber eine Geschäftsführung mit etwas Business-Erfahrung kann im Alltag nicht schaden.

Unterschiedliche Menschen zusammenzubringen kann ein erklärtes Ziel von neuen lokaljournalistischen Initiativen sein. I Foto: Noah Gora

Führ mich zum Schotter!

Um hochwertigen Journalismus anbieten zu können, braucht es eine stabile finanzielle Basis. Und um erfolgreich Gelder an Land ziehen zu können, braucht es ein überzeugendes Produkt. Klassisches Henne-Ei-Problem. Du bzw. ihr (wenn du unseren ersten Rat befolgt hast!) werdet wahrscheinlich nicht darum herumkommen, zunächst in Vorleistung zu gehen und einen Prototypen zu „bauen“.

Das können zunächst ein paar Artikel sein, die zum Start des Projekts vorliegen, um potenzielle Geldgeber:innen von der Qualität des Vorhabens zu überzeugen. Es kann aber auch reichen, zunächst „nur“ eure Vision klar und verständlich zu kommunizieren und damit ein Crowdfunding zu starten. Das wäre zugleich der erste Test, ob eure Idee marktreif ist. 

Wenn es klappt, kann das Crowdfunding die finanzielle Initialzündung eures Projekts sein. Den Aufwand dahinter solltet ihr aber nicht unterschätzen. Zum Glück gibt es Erfahrungsberichte wie den von VierNull aus Düsseldorf, karla aus Konstanz und der Schweizer Republik, in denen ziemlich deutlich wird, worauf ihr euch einlasst. Unser Rat: Lernt von den anderen, macht nicht die gleichen Fehler.

Wenn ihr es geschafft habt: Glückwunsch! Aber das Crowdfunding war nur der Anfang und es gibt keine Garantie, dass ein zweiter Anlauf ebenfalls erfolgreich wird. Für die langfristige Finanzplanung ist es ohnehin nicht ratsam, nur auf eine Einkommensquelle zu setzen. Diversifizierung ist das Zauberwort.

Das heißt, sich unterschiedliche Geldquellen zu erschließen, um nicht vor dem Aus zu stehen, sollte eine Geldquelle versiegen. Welche für euch passen, müsst ihr selbst herausfinden. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Stiftungsgelder, öffentliche Förderungen, Spenden, Abonnements, Mitgliedschaften (falls ihr darüber nachdenkt, solltet ihr unbedingt beim Membership Puzzle Guide vorbeischauen), Werbung, Veranstaltungen usw.

Der Membership Puzzle Guide bietet wertvolle Hilfestellung für Gründer:innen. I Foto: Screenshot

Impact ist kein Schimpfwort!

Alle, die etwas zu sagen haben und damit jemanden erreichen möchten, müssen über den gewünschten Impact nachdenken. Laut einer Studie des Tow Center for Digital Journalism über Einfluss und Wirkung journalistischer Berichterstattung gibt es zwar keine Garantie für Wirkung. Die Chancen lassen sich aber durch gute Planung erhöhen. Wer wissen möchte, wie er die gesellschaftliche Wirkung seiner journalistischen Arbeit beschreiben und messen kann, der landet rasch bei anschaulichen Illustrationen.

Mal stapeln sich die Stufen einer Treppe – wie im lesenswerten Phineo-Report zum Nonprofitjournalismus, mal bilden die Pfeile eines Diagramms ein komplexes Beziehungsgeflecht – wie in Vorträgen des US-amerikanischen Beratungshauses „Impact Architects“. Für das Interesse an der Impact-Messung gibt es zwei Triebkräfte: Zum einen die Journalist:innen selbst. Viele von ihnen im Nonprofitjournalismus sehen ihre Aufgabe darin, Missstände aufzudecken und zu berichten, damit sich die Bürger:innen politisch engagieren und gesellschaftliche Veränderungen herbeiführen können. Zu diesem Ergebnis kommt Anna Driftschröer, die diese Fragen im Jahr 2019 an der Universität Hamburg untersucht hat.

Zum anderen treiben Stiftungen das Thema voran, da gemessener Impact den Förderern Aufschluss darüber gibt, ob die Ressourcen der Stiftung effizient eingesetzt werden, so die Forscherin. Ihr müsst euch also klar machen, was ihr mit eurem Tun erreichen wollt und was andere von euch erwarten. 

Professionalisiert euch!

Viele Projekte entstehen aus der Begeisterung für eine journalistische Idee und leben in der Anfangsphase vom Engagement von Ehrenamtlichen und Selbstausbeutung. Was in der Gründungsphase mitunter unausweichlich ist, ist jedoch keine Basis für eine Verstetigung des Vorhabens. Aus unserem eigenen Grow-Förderprogramm wissen wir, dass junge Projekte viel früher und viel stärker die eigene Professionalisierung vorantreiben müssen.

Dazu gehören: stringentes Verfolgen eines Geschäftsmodells, klare Strukturen und Zuständigkeiten, mehr um Rat fragen, klares Commitment aller Beteiligten, Markenbildung, Vernetzung. Fehlende Verbindlichkeit bei Deadlines und bei redaktionellen Absprachen sind gerade bei Projekten, die maßgeblich von der Arbeit Ehrenamtlicher abhängt, ein großes Problem.

Kein Erfolg ohne Projektmanagement!

Die meisten Mediengründer:innen werden bei der Umsetzung ihres Vorhabens mit Fragen konfrontiert, die in der herkömmlichen Ausbildung von Journalist:innen keinen Platz haben: Wie steuere ich ein Projekt? Wie schreibe ich Förderanträge? Wie definiere ich unsere Mission? Wie koordiniere ich die Arbeit im Team? Gerade bei kleinen Teams ist es eine Herkulesaufgabe, journalistische und organisatorische Aufgaben gleichermaßen zu erfüllen.

Viele Entwicklungsschritte von Medienprojekten – seien es der Antrag für eine Stiftungsfinanzierung oder die Anerkennung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit – sind mit einer Menge Papierkram, Korrespondenz und Video-Calls verbunden. Dieser administrative und organisatorische Aufwand darf nicht unterschätzt werden. Deshalb, auch auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen: Sucht euch Mitstreiter:innen mit unterschiedlichen Qualifikationen. Zum Beispiel jemanden, der euch in den Bereichen Administration und Fundraising den Rücken freihält.

Das „Institute for Nonprofit News“ hat eine Anleitung für den Aufbau einer gemeinnützigen Medienorganisation geschrieben. Darin geht es in erster Linie um medienökonomische und damit verbundene strukturelle Fragen: Was ist mein Geschäftsmodell? Wie positioniere ich mich auf dem Markt? Welchen Eintrittsbarrieren (zum Beispiel Konkurrenz) muss ich mich stellen? Wer ist mein Publikum? Wie erreiche ich es? Pflichtlektüre.

Auch gesellschaftlich relevante Debatten abzubilden, können sich neue journalistische Projekte wie hier karla in Konstanz auf die Fahnen schreiben. I Foto: Sophie Tichonenko

Bleibt unabhängig!

Eure journalistische Integrität behält auch bei alternativen Finanzierungswegen wie Stiftungsförderung oberste Priorität. Unkenrufen, wonach solche Fördermodelle die redaktionelle Unabhängigkeit bedrohen, hält Franco Zotta vom Science Media Center Germany in diesem lesenswerten Beitrag entgegen: „Die Herkunft des Geldes allein erzeugt offenbar kein unauflösbares Dilemma. Vielmehr hängt die Frage der Unabhängigkeit des Geförderten maßgeblich davon ab, unter welchen formalen Bedingungen wer Unterstützung erhalten kann.“

Das heißt für euch, dass ihr trotz des finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses von euren Geldgeber:innen darauf achten müsst, dass Eingriffe in redaktionelle Abläufe und journalistische Produkte tabu sind. Dies kann beispielsweise im Rahmen der Fördervereinbarung zwischen den Beteiligten festgelegt werden. Direkte Versuche der Einflussnahme durch Stiftungen sind aber eher selten. Wahrscheinlicher ist, dass sich eine Redaktion auf ein gut dotiertes Förderprogramm bewirbt, das aber thematisch nicht zu den eigenen Kernkompetenzen passt.

Ein solcher Spagat will wohl überlegt sein, weil am Ende Enttäuschungen auf beiden Seiten drohen. Da ist die Redaktion, die sich verbiegen muss, um die eigenen Themen so umzusetzen, dass sie irgendwie noch zum Förderprogramm passen. Und da ist die Stiftung, die sich mit der Förderung einen anderen Schwerpunkt gewünscht hätte. Deshalb unser Rat: Thematisch eingeschränkte Förderungen nur dann in Betracht ziehen, wenn es inhaltlich gute Anknüpfungspunkte zur eigenen Arbeit gibt.

Seid transparent!

Journalist:innen fordern von anderen Institutionen gerne mehr Transparenz ein. Deshalb sollten wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen und der Öffentlichkeit nicht verschweigen, woher das Geld für die eigenen Projekte kommt. Eine Offenlegung der Finanzierung ist deshalb auch eine Frage journalistischer Integrität. Sie wird dann essentiell, wenn die Geldgeber:innen einmal selbst in den medialen Fokus geraten. Um ein solches Szenario weitgehend ausschließen zu können, ist eine Überprüfung potenzieller Förderer im Voraus einer Bewerbung sinnvoll.

Kooperationen gerecht gestalten!

Die Zeit der einsamen Wölfe im Journalismus ist zum Glück vorbei. Recherche-Kooperationen haben viele Scoops der vergangenen überhaupt erst möglich gemacht. Auch für Nonprofit-Redaktionen bietet die Zusammenarbeit mit einem größeren, etablierten Partnermedium Chancen: andere Zugänge, neue Quellen, höhere Reichweiten usw.

Damit die Zusammenarbeit zwischen den ungleichen Partner:innen fair abläuft, hat das „American Press Institute“ praktische Tipps für gelungene Kooperationen gesammelt. Vor allem die Juniorpartner:innen sollten sich darüber im Klaren sein, wie wichtig die Absprache und vertragliche Vereinbarung von Verantwortlichkeiten, finanziellen Rahmenbedingungen sowie der Projektorganisation für das Gelingen sind.

Fehlt noch was? Dann schreibt uns eure Fragen und Anregungen: malte.werner@netzwerkrecherche.de

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